Letztes Jahr nach meinem 18. Geburtstag war ich total aufgeregt. Nicht weil ich nun Auto fahren lernen und Alkohol kaufen durfte, sondern weil ich endlich die Chance erhielt, abzustimmen. Nur knapp zwei Wochen später hatte ich bereits die erste Gelegenheit, meine Stimme abzugeben. Ich war stolz, meinen Teil zur Entscheidung beizutragen. Als ich meine Vorfreude jedoch einer Freundin anvertraute, war diese total überrascht. «Du gehst abstimmen? Mir ist das irgendwie zu kompliziert und zu viel Verantwortung. Ausserdem kann ich mich am Ende eh nie entscheiden. » Über diese Aussage war ich erstaunt und etwas verwirrt.
Denn Politik bestimmt unser aller Leben! Was wir dürfen, können, sollen und müssen, hängt alles von politischen Entscheidungen ab. Wir in der Schweiz haben das Privileg, welches noch weit nicht alle Menschen auf der Welt haben, nämlich direkt mitbestimmen zu können. Diese Möglichkeit nehmen jedoch immer weniger Schweizerinnen und Schweizer wahr. Vor allem bei Jugendlichen ist die politische Beteiligung erschreckend klein. 18- bis 25-Jährige füllen ihren Stimmzettel nur zwei Drittel so oft aus wie die gesamte Wahlbevölkerung. Dies sagt eine Studie der Universität Zürich. Aber was für Gründe stecken hinter diesem Desinteresse?
Früher wurde davon ausgegangen, dass politische Bildung und das Wecken von Interesse Sache der Eltern sei und in der Freizeit passieren soll. Gegenwärtig sieht es anders aus: «Politische Bildung ist heute ein fester Bestandteil des Schweizer Bildungssystems», steht in einem Bericht des Bundesrates aus dem Jahre 2016. Aus meiner Sicht völlig zu Recht. Denn jedes Kind sollte Zugang zu politischer Bildung haben, unabhängig aus welchem Haushalt es kommt und wie politisch aktiv seine Eltern sind. Doch die Statistiken verdeutlichen, dass dies noch nicht erreicht wurde. Der Staat investiert zu wenig in politische Bildung. Sogar in der Kantonsschule wird das Fach, wenn überhaupt, nur als Freifach angeboten. Eine Option, welche leider nur sehr wenige nützen. Doch genau in den Jahren nach der obligatorischen Schulzeit, also in der Lehre oder am Gymnasium, wäre es so wichtig, sich ein Grundwissen über Politik anzueignen und herauszufinden, welche Werte man selber vertritt. Denn nahezu alle erreichen dann ihre Volljährigkeit und somit das Recht auf Mitbestimmung. Meiner Erfahrung nach interessieren sich grundsätzlich viele Jugendliche für aktuelle Themen, doch ist der Anreiz meist zu klein, zwei weitere Stunden ihrer Freizeit dafür zu opfern. Ein verbindlicher Unterricht könnte dieses Problem lösen. Auch das Argument «Ich verstehe zu wenig von Politik» könnte so entkräftet werden. Ich finde es extrem wichtig, dass sich Menschen in meinem Alter am politischen Geschehen beteiligen, unabhängig von der politischen Einstellung. Denn es werden die Weichen für unsere Zukunft gelegt, und wir sind diejenigen, die am längsten mit den Konsequenzen leben müssen. Doch um das zu realisieren, bräuchte es eben ein gutes Politikverständnis.
Meine Freundin konnte ich übrigens am Ende auch zum Abstimmen bewegen und dies nur mit einem fünfminütigen Gespräch. Wie viel obligatorische Schulstunden auslösen würden, können wir nur mutmassen.