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Der Windenergie fehlt Rückenwind

Windenergie erleben

Der Windenergie fehlt Rückenwind

Es geht nur langsam vorwärts: Rund 300 Windanlagen befinden sich aktuell in einem langwierigen Bewilligungsverfahren oder warten auf einen definitiven Gerichtsentscheid. Bild: Getty

Wo ein Windpark geplant ist, ist der Widerstand nicht weit. In Kürze bilden sich gut organisierte Aktionskomitees, die gegen das Bauvorhaben protestieren. Mit Erfolg und entsprechenden Folgen: «Heute sind gerade mal 42 Anlagen in Betrieb. Damit bildet die Schweiz europaweit zusammen mit der Slowakei und Slowenien das Schlusslicht », sagt Anita Niederhäusern, Medienverantwortliche von Suisse Éole, dem Verein zur Förderung der Windenergie in der Schweiz.        

Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien soll ausgebaut werden, doch bei der Windenergie hapert’s

Windenergie liefert Winterstrom

«Nicht auf Kurs», lautet damit das Fazit zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 im Bereich Windenergie. Denn diese rechnet bis 2050 mit rund 1000 Windanlagen, die nach neusten Berechnungen 15 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs decken könnten. Die Wichtigkeit der Windenergie am erneuerbaren Strommix basiert auf ihrem Stromproduktionsprofil: «Während Wasser- und Sonnenenergieanlagen im Sommer am meisten Strom produzieren, produzieren Windenergieanlagen im Winter zwei Drittel der Energie», so Anita Niederhäusern. Und fügt an: «Die Windenergie braucht es komplementär zu Wasser und Sonne. Denn nach wie vor wird im Sommer mehr produziert als konsumiert, im Winter hingegen muss Strom importiert werden.» Dass die Windenergie im erneuerbaren Strommix ihre Berechtigung hat, bestätigt auch Michael Casanova, Projektleiter Gewässerschutz und Energiepolitik bei Pro Natura. «Grundsätzlich akzeptieren wir den Ausbau der Windenergie. Wir haben die Energiestrategie 2050 unterstützt, die den Ausbau der erneuerbaren Energien als wichtigen Pfeiler zur Erreichung der Ziele vorsieht.» Doch: «In unserer Potenzialanalyse sind wir weniger optimistisch als der Bund oder Suisse Éole. Schweizweit könnten rund 400 Anlagen realisiert werden, die kaum in Konflikt mit der Biodiversität oder dem Landschaftsschutz stehen.» Windturbinen seien nun mal bis zu 200 Meter hohe, rotierende Industrieanlagen mit Lärmemission, die vielfach in bislang wenig erschlossenen Gebieten geplant werden. Entsprechend hätten sie in gesetzlich geschützten Landschaften wie beispielsweise im Gebiet des Creux-du-Vans und Chasseral nichts zu suchen. «Und auch da, wo sie den Lebensraum von störungsempflindlichen und geschützten Vogelarten wie Birk- oder Auerhühnern weiter beschneiden oder eine hohe Kollisionsgefahr mit Zugvögeln oder lokalen Vogelpopulationen besteht, ist davon abzusehen.»

"Mit aktuell 42 Windanlagen bildet die Schweiz europaweit zusammen mit der Slowakei und Slowenien das Schlusslicht."

Anita Niederhäusern
Suisse Éole

Basisdemokratie behindert Ausbau der Windenergie

Anita Niederhäusern nickt: «Es braucht eine saubere Abklärung. Deswegen durchlaufen alle geplanten Windparks eine gesetzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung, in die unter anderem auch das Landschaftsbild und der Vogelschutz mit einbezogen werden.» Wie diese Umweltverträglichkeiten schlussendlich konkret ausgelegt werden beziehungsweise ob es nun am Ende deren 400 oder gar 1000 Windanlagen sind, die in der Schweiz stehen werden – bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn: Aktuell befinden sich insgesamt 300 Windanlagen in einem langwierigen Bewilligungsverfahren oder warten auf definitive Gerichtsentscheide. Den Hauptgrund für den harzigen Start der Windenergie in der Schweiz sieht Anita Niederhäusern dann auch in der Basisdemokratie: «Jede Schweizerin und jeder Schweizer kann bei einem geplanten Windpark auf Gemeinde- und Kantonsebene bis vor Bundesgericht Einsprache erheben. Diese Verfahren verzögern die Umsetzung extrem: In der Regel dauert es in der Schweiz von der Planung bis zur Realisation über 15 Jahre.» Eine Kritik der Windenergiegegner lautet: Windparks machen an der Nordsee Sinn, nicht aber in der Schweiz. Anita Niederhäusern dazu: «In der Schweiz gibt es ganz viele gute Windstandorte, wo eine Windparkanlage durchaus Sinn macht. Im Rhonetal im Wallis stehen beispielsweise Windenergieanlagen, deren Produktion an jene der Nordsee anknüpfen.» Als Vorbild diene der Suisse Éole gern Österreich. Dort stehen insgesamt 1350 Windanlagen, die 13 Prozent des Strombedarfs decken. «Der Wind, der in den Nachbarregionen der Schweiz zur Stromerzeugung genutzt wird, macht nicht vor der Schweizer Grenze Halt», sagt die Medienverantwortliche mit einem Lachen. Weiter wird seitens der Windenergiekritiker die Landschaftsverschandelung ins Feld geführt. Michael Casanova dazu: «Windparks sollten nach Möglichkeit in oder nahe bei bereits vorbelasteten Standorten errichtet werden, wie dies beispielsweise bei Chur erfolgt ist.» Dort ist die Anlage neben der Auto-, der Eisenbahn und einem Kieswerk errichtet, ähnlich wie im Rhonetal im Wallis. «Da fällt sie dem Betrachter kaum ins Auge», bestätigt Anita Niederhäusern. Bei siedlungsnahen Windanlagen befürchten Kritiker zudem die Lärmverschmutzung durch Windanlagen. «Die neuesten Generationen sind leiser als eine ruhige Unterhaltung, nämlich nur um die 50 Dezibel laut. Im Vergleich: In Büros herrscht im Durchschnitt eine Lautstärke um die 70 Dezibel, und der Strassenverkehr erreicht 80 bis 100 Dezibel», entkräftet Anita Niederhäusern diese Bedenken.

Eine sachliche Debatte ermöglichen

Trotz dieser technischen Fortschritte wird die Windenergie nicht vorwärtskommen, wenn sich die partiellen Widerstände weiterhin hartnäckig halten. Was kann die Lösung sein? Dieser Frage ging das Nationale Forschungsprogramm 71 (NFP 71), das sich den sozialen, den ökonomischen und den regulatorischen Seiten der Energiewende widmet, nach. Eine Erkenntnis war: Negative Informationen bzw. mögliche Risiken wirken in einer aufgeheizten Kampagne stärker als allfällige Vorteile. Die Empfehlung: Es soll von Beginn an möglichst breit und offen kommuniziert und diskutiert werden. «Es gibt zahlreiche Projekte, bei denen wir im Planungsprozess frühzeitig mit unseren Anliegen und als Gesprächspartner auf Augenhöhe mit einbezogen werden», so der Leiter Gewässerschutz und Energiepolitik von Pro Natura. Anita Niederhäusern fügt an: «Meist gründen die Bedenken auf einer fehlenden Erfahrung mit der Technologie. Deswegen braucht es viel Aufklärung in der Bevölkerung. Das Bundesamt für Energie wirkt da bereits gut mit Broschüren oder Informationsständen. Wir ermuntern auch immer wieder dazu, sich selbst eine Meinung zu bilden. An zahlreichen Orten können in der Schweiz unter kundiger Führung Anlagen erlebt und besucht werden.» Lea Marti
   

Windenergie erleben

Auf dem Mont Crosin, ob St-Imier in Berner Jura gelegen, können Interessierte beim grössten Windpark der Schweiz die Windenergie hautnah erleben. Mehr Informationen unter www.juvent.ch.

Der Windlehrpfad auf dem Gütsch bei Andermatt, vorbei am höchstgelegenen Windpark Europas, erklärt die verschiedenen Winde. Mehr Informationen unter www.andermatt.ch.

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