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Geschmacksexplosion aus der Flasche

Mit ihren überraschenden Kreationen bringen die Alchemisten von Zeitgeist den Cocktailgenuss direkt ins Wohnzimmer.

Geschmacksexplosion aus der Flasche

Die Herren der Zeitgeist-Schöpfungen: Roger Grüter und Florian Wicki (v. l.). Bild: N. Gysin

Cocktails aus der Flasche haben gemeinhin keinen guten Ruf. Zu sehr haftet ihnen ein Billigimage an. Nicht nur Bartender schreien auf bei dem Gedanken an fixfertige Swimmingpools, Caipis, Hugos oder «nur» Gin Tonics. Das englische Wort dafür heisst Prebatched, was sich phonetisch schon anhört, als würden die Cocktails lustlos dahingebatscht und gepanscht. Doch wie viel Unrecht wird ihnen damit getan und wie viel Überraschungen und Erstaunen erwarten einen, wenn man sich vorurteilsfrei der Versuchung hingibt und z. B. die neuesten Kreationen von zwei Basler Mixologen testet. Der eine: Bartender und Mitinhaber des «Angels’ share», also ein Profi in Sachen Mixgetränken. Der andere: Erfinder und Kaffeekenner, der bereits mit seiner Marke Skvader u. a. einen hochwertigen Kaffeelikör herausgebracht hat. Roger Grüter und Florian Wicki haben die Zeit des Lockdowns genutzt und unter dem Namen Zeitgeist eine Reihe Cocktails entwickelt, die einen in andere Welten versetzen: geschichtlich in die Goldenen Zwanziger, als Cocktails nach Artilleriegeschützen oder rostigen Nägeln benannt wurden und Glücksspiele und Alkoholkonsum die Prohibition in den USA einleiteten. Gustatorisch in ein facettenreiches 4-Sterne-Gaumenbad, das selbst bei Geschmacksbanausen zu unerwarteten Explosionen im Mund führen dürfte. Zu viel der Lobhudelei? Definitiv nein!

Lockdown richtig genutzt

Doch von vorn. Florian Wicki ist gelernter Koch und arbeitet im Café Frühling. Das Café Frühling röstet seinen Kaffee selbst, die Besitzer haben sogar eine eigene Farm in Nicaragua, die das Team um die Barista regelmässig besucht. Ihr Kaffeewissen geben sie innerhalb der Kaffeemacher-/-innen-Akademie weiter. Und an ihre Angestellten. Für Florian spielte Kaffee also lange Zeit eine grosse Rolle und hatte schon immer eine grosse Anziehungskraft. Im Café Frühling experimentierte er mit dem US-Trend der Kaffee-Tonics, bei dem z. B. Espresso in ein Tonic gemixt wird. Irgendwann hatte er die Idee, daraus ein Getränk zu entwickeln und zu vermarkten. Er gründete Skvader, geboren waren verschiedene Delikatessen, u. a. der beliebte Kaffeelikör, den er auch heute noch vertreibt. Von Anfang an zielte er auf die Bartender als Zielgruppe. Dann kam Corona. Und Florian hatte plötzlich viel Zeit. Viel Zeit hatte auch Roger Grüter, der zusammen mit Christoph Stamm die Cocktailbar Angels’ share führt, die u. a. den Preis für die beste Schweizer Bar erhalten und viele nationale und internationale Stammgäste hat. Während des Lockdowns füllte Roger seine Drinks in Einmachgläser ab, Florian, der einen lokalen Lieferdienst ins Leben gerufen hatte, verteilte sie. Die Drinks kamen so gut an, dass sich die beiden entschlossen, ihre Vision für mehr Genuss weiterzuentwickeln. Hochwertiger Genuss, v.a. auch für zu Hause. Das war die Initialzündung für Zeitgeist. Die beiden experimentierten und entwarfen vorerst drei Cocktails. «Von Anfang an war uns wichtig, lokale Produkte mit Aromen aus fernen Ländern zu einzigartigen Kompositionen zu mixen», so Florian. Kompositionen wie in «The Dancer», wo Wodka mit Earl Grey auf Grapefruit und Kirschblüte trifft und zu einem Tänzchen der Aromen anregt. Oder wie in «The Gambler», wo Gin und Wermut mit Zitrone und Orange ein idealer Begleiter beim Poker scheinen. In geheimer Mission nutzt «The Spy» bei Zeitgeist nicht den Martini – gerührt und nicht geschüttelt –, sondern einen Mix aus Whisky, Kaffirlimette, Pandan und Kaffee. Mit Namen und Design wird dabei bewusst auf das Okkulte und Verruchte angespielt, das vielen Cocktails spätestens seit der Prohibition in den USA anhaftet.

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Stimmiges Konzept

Bei ihren Zutaten legen Roger und Florian grossen Wert auf Frische, Nachhaltigkeit und Fairness. «Wodka, Gin und Wermut sind aus lokaler Produktion, die ausgewählten Biofrüchte werden von Hand verarbeitet», so Florian. «Wir mazerieren, infusionieren und extrahieren, teilweise über mehrere Wochen.» Natürlich kommt der Kaffee von den Kaffeemachern, die zur gleichen Firma wie das Café Frühling gehören. Doch der Inhalt ist das eine. Qualität muss sich auch von aussen zeigen. Daher wurde auch den Flaschen und den Etiketten in Form von Tarotkarten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie sind so gestaltet, dass sie als Schmuckstück in jeder Hausbar grosse Aufmerksamkeit auf sich lenken. Und auch nach Gebrauch ist an Entsorgen nur schwer zu denken. «Wir wollten ein stimmiges Premiumprodukt schaffen, das besondere Momente generiert.» Das ist ihnen gelungen. Stilvolle Genussmomente statt massloses Konsumkoma. Tatsächlich legen sich beim Trinken die einzelnen Geschmacksnoten nacheinander sanft auf den Gaumen. Beim «Spy» gelingt dies durch die filigrane Basis eines dreifach destillierten Irish Whiskeys, der Platz für ein ganzes Bouquet exotischer Aromen im Cocktail bietet. Der Abgang von Pandan mit einem nussigen Aroma überrascht und wirkt nach. Pandan? Ein langes Blatt aus der südostasiatischen Küche, das dort für Süssspeisen verwendet wird. Die beiden machen daraus einen Sirup, bevor sie ihn zu ihrem Cocktail mixen. Doch in der Reihe ihrer Cocktails fehlt noch ein wichtiger Protagonist: der Rum. Ihm widmen sie ihren vierten Drink – gerade in der Entwicklung. Viel wird nicht verraten, ausser, dass Kakaofruchtsaft zum Einsatz kommen wird. Dominique Simonnot

www.zeitgeist-cocktails.ch
 

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