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Was machen meine Füsse?

Ist Achtsamkeit im Kindergarten nützlich und sinnvoll? Eine Weiterbildung der Pädagogischen Hochschule FHNW zeigt Lehrpersonen Wege auf.

Was machen meine Füsse?

Achtsame Fantasiereisen fördern das Bewusstsein für den eigenen Körper und machen den Kindern Spass. Bild: Getty

Achtsamkeit ist die bewusste, nicht wertende Wahrnehmung eigener Empfindungen. Achtsame Menschen haben Selbstmitgefühl und sind nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Das braucht Übung. Können auch Vorschulkinder achtsam sein? Ein Kollegium aus Kindergarten-Lehrpersonen, darunter Sandra Maissen, besuchte eine Weiterbildung für Lehrpersonen an der FHNW. Claudia Suter, Kursleiterin am Institut Weiterbildung und Beratung der Pädagogischen Hochschule FHNW, begleitete Sandra Maissen danach ein Jahr lang vor Ort in Rheinfelden. Seit dem Kurs sind zwei Jahre vergangen, in denen Sandra Maissen viel Erfahrung sammeln konnte.

Abenteuerliche Fantasiereise

Achtsamkeitspraxis funktioniert nicht wie ein Lehrplan-Thema, das man «durchnimmt» und dann wieder eine Weile zur Seite legt. «Achtsamkeit im Kindergarten muss im Alltag gelebt werden, und es muss spielerisch sein», sagt Maissen. Sie streut bewusst achtsame Sequenzen in den Kindergarten-Alltag ein, zum Beispiel beim Singen. «Zwischen Kopf und den Füssen ist mein Bauch», so geht das Kinderlied sinngemäss. Die Zeile mag für erwachsene Ohren banal klingen. Für kleine Kinder ist es nicht selbstverständlich, zu wissen, wo ihr Bauch ist. Lieder helfen, das Körperbewusstsein zu entwickeln. Das ist Achtsamkeitspraxis mit viel spielerischem Potenzial. Sandra Maissen gestaltet ganze Reisen durch den Körper. Den «Bodyscan» hat sie zur abenteuerlichen Fantasiereise durch Arme, Beine, Kopf und Rumpf weiterentwickelt. «Die Kinder lieben das.» Das Abenteuer der Selbstwahrnehmung hallt sogar nach, wenn die Kinder im Anschluss ihre Reise malen.

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Achtsam in den Tag - «Morgenchreisli» bei Sandra Maissen. Bild: zvg

Die wiederkehrenden Rituale, die typisch für den Kindergarten-Alltag sind, eignen sich gut für Übungen in Achtsamkeit, besonders das «Morgenchreisli », das nach Eintreffen der Kinder für den Zusammenhalt der Klasse steht.

Sandra Maissen schlägt leise die Klangschale an. Die Kinder wissen: Jetzt sollen alle ein paar Augenblicke still sein und still werden. Danach fragt Frau Maissen, wie es gehe und was anstehe. Jedes Kind darf sich äussern, aber nur über sich selbst. Ein Mädchen sagt, dass es am Nachmittag zum Spielen abgemacht habe. Ein Bub erzählt, was er zum Geburtstag bekommen habe. Ein weiterer Junge muss am Nachmittag zum Zahnarzt. «Mit der Zeit fallen die Aussagen über sich differenzierter aus», beobachtet Maissen. Der Bub empfindet Angst vor dem Zahnarzttermin und beschreibt diese als warmes Gefühl im Bauch. Achtsam ist, wer sich der eigenen Empfindungen gewahr wird und sie mit eigenen Worten benennt.

Nur zuhören

Wichtig in der Befindlichkeitsrunde ist aber auch, dass nur zugehört wird. Niemand redet dazwischen oder gibt Kommentare ab. Das gilt auch für die Lehrperson. Sie lobt nicht, tadelt nicht und gibt bewusst keine Ratschläge. Das braucht Übung und Mut, denn: «Oft möchten Erwachsene Kinder vor negativen Gefühlen wie Wut, Angst oder Traurigkeit schützen und reagieren umgehend mit gut gemeinten Ratschlägen.» Ohne Reaktion fühlen sich die Kinder aber nicht verloren. Im Gegenteil. Schweigen signalisiert Zulassen und Anerkennung. Die Kinder fühlen sich ernst genommen und profitieren auf lange Sicht.

Menschen, die sich selbst achtsam wahrnehmen, geraten weniger schnell in den Strudel ihrer eigenen Gefühle. In Stresssituationen sind sie den inneren Stürmen nicht schutzlos ausgeliefert. Die Impulskontrolle macht ausdauernder und letztlich auch zufriedener. Das gelte schon bei den Kleinsten: «Die Kinder können auch mal länger an einer Aufgabe dranbleiben, obwohl sie Lust zum Spielen haben.» Achtsamkeit schaffe auch ein Klima gegenseitiger Toleranz. «Je mehr ich über mich Bescheid weiss, desto besser kann ich auch Empathie für andere empfinden», sagt Maissen. Davon profitiert die Klasse. «Das Gruppengefühl wird gestärkt und ein positives Lernklima gefördert.»

Kann Achtsamkeitspraxis kleine Kinder auch überfordern? Etwas, was sie neben allem anderen «jetzt auch noch» tun müssen? Kursleiterin Claudia Suter kennt die Einwände. Achtsamkeit ist eine unter mehreren Methoden, welche die Aneignung der überfachlichen Kompetenzen unterstützen. «Das ist so oder so gemäss Lehrplan Pflicht.» Es gehe aber nicht allein um die Schule. «Achtsamkeit ist eine Befähigung, das Leben zu stemmen. Es ist sogar ratsam, früh mit Achtsamkeit anzufangen», ist die Pädagogin überzeugt. In Zeiten, in denen es vielen Jugendlichen in der Schweiz nicht besonders gut gehe, seien Instrumente zur Selbsthilfe notwendiger und wertvoller denn je. Tiziana Ossola
  

An Kursen im Kontext Achtsamkeit interessiert?

Für Lehrpersonen:
Institut Weiterbildung der Pädagog. Hochschule FHNW:

7. Mai oder 1. Juni
Stille und Konzentration durch Achtsamkeit (Claudia Suter)

Ab 10. August
Gelassen dem Stress begegnen (Claudia Suter) www.ph.fhnw.ch/weiterbildung

Für Private:
Kurse bei Claudia Suter unter www.achtsamkeit-beratung-bildung.ch

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