Anzeige

Basel: Fernlernen = Präsenzunterricht mit anderen Mitteln?

Basel: Fernlernen = Präsenzunterricht mit anderen Mitteln?

Beim Online-Unterricht kann der Stundenplan nicht einfach auf Videokonferenzen umgelagert werden. Gefragt ist viel mehr ein Mix zwischen Online- und Offline-Phasen. Bild: Grischa Schwank

Kaum hatten die Schulen auf Fernlernen umgestellt, bildeten sich zwei Lager: Die einen wollten den Präsenzunterricht digital weiterführen, die andern hoben den Stundenplan auf und verzichteten nach Möglichkeit auf Computer. Beide Parteien in dieser international geführten Fachdebatte hatten gute Argumente, doch: Wer hatte recht? Und wie wurde das in Basel- Stadt gehandhabt?

Ein internationaler Streit und Erfahrungen aus der Praxis

Die einen argumentierten, ohne Schule verlören Kinder und Jugendliche ihren Tagesrhythmus, den Austausch mit der Lehrerin, dem Lehrer und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. Sie dachten an die ungleichen sozialen Voraussetzungen, die Schulen normalerweise zumindest ein wenig ausgleichen können, und daran, dass einige jetzt leicht den Anschluss verlieren. Ihrer Ansicht nach gab es dafür eine gute Lösung: Die gewohnte Struktur musste im Digitalen weitergeführt werden. Der Stundenplan wurde telquel auf Videokonferenzen umgelagert. So seien die Schülerinnen und Schüler sozial eingebunden und Lehrpersonen hätten die Kontrolle über den Unterstützungsbedarf ihrer Klassen.
   

Dasselbe Problem, eine andere Lösung

Die anderen sahen dasselbe Problem, aber eine andere Lösung: Gerade weil einige Kinder entweder noch zu jung sind für Schule am Bildschirm oder keinen Computer haben oder keine Eltern, die sie beim Schritt ins Digitale unterstützen können, sollte man jetzt auf Computer verzichten. Denn in manchen Familien leben Kinder mit unterschiedlichen Stundenplänen – eine riesige Herausforderung für Kinder und Eltern! Schon die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt fürs Mittagessen verwandelte sich in eine komplexe Managementaufgabe. Online-Präsenzunterricht verschärfte somit aus ihrer Sicht die Ungleichheit. Darum setzte diese Gruppe auf Arbeitsaufträge und Abgabetermine, Arbeitsblätter und Schulbücher. Wer Fragen hatte, durfte sich melden. Die Zeit bis zum Abgabetermin teilten alle selbst ein, der Stundenplan wurde ausser Kraft gesetzt.

Der Streit zog sich hin. Die einen argumentierten in Blogposts und Twitterfeeds, die anderen kreierten «do und don’t»-Grafiken, und immer wieder war die Rede von «best practice». Bis jemand trocken in die internationale Runde warf, es gebe keine «best practice ». Eine Situation wie diese habe es noch nie gegeben. Wir alle seien nichts anderes als Teilnehmende an einem gigantischen Lernexperiment.
   

Die Mischung macht’s

Schon bald zeigte sich: Die Lösung liegt im richtigen Mix. Mehrere Wochen vergingen. Die neuen Erfahrungen spiegelten sich zeitgleich in internationalen Blog-Communities und in den Schulen, auch in Basel. Der neue Fernlernstundenplan arbeitete nicht mit strikten 45-Minuten-Lektionen, sondern mit Zeit- und Themenblöcken. Weniger Fächer auf einmal, mehr Tiefgang im Einzelnen. Diese Neuaufteilung entsprach den Erkenntnissen der Lernforschung, die tatsächlich als «good practice» bekannt sind:

Schülerinnen und Schüler lernen am besten, wenn sie sich gesehen und wertgeschätzt fühlen und in guten Beziehungen zur Lehrperson und zu ihren Peers stehen können.

Lernen ist eine Folge von Denken, und das ist genauso eine gemeinsame Tätigkeit wie eine individuelle.

 Diese Situation forderte alle Beteiligten stark heraus, darum: Weniger ist mehr!

Was heisst das konkret?

Online ist der Ort für Beziehung, Gemeinschaft, Austausch, Präsentieren. Was hier passiert, passiert kurz, zielgerichtet, wiederholt und ist von aussen gesteuert (klare Zeitvorgaben, Gruppeneinteilung, Themensetzung durch die Lehrperson).

Offline ist die Phase zum Zur-Kenntnis- Nehmen, Verarbeiten, Nachdenken, Produzieren. Für die Offlinephasen sind längere Zeitfenster vorgesehen, auch sie sind zielgerichtet mit klaren Arbeitsaufträgen, die in der Regel auf eine Woche hin gedacht sind – Arbeitsaufträge, auf die alle ein förderliches Feedback erhalten, aber sie lassen den Schülerinnen und Schülern mehr Freiraum, sich Zeit und Arbeitsschritte selbst einzuteilen.

Dazwischen nutzen sowohl Lehrpersonen wie auch die Klasse traditionelle, stabile Kommunikationsmedien wie Telefon, Brief/Post, Papier, E-Mail, das Schulhaus als Ort, an dem etwas abgegeben oder ausgeteilt werden kann, in gut begründeten Fällen – und unter Einhaltung der Hygienevorschriften – kurze persönliche Kontakte an der Schule: um Fragen zu stellen, zu zweit etwas zu erarbeiten, um sich gegenseitig Feedbacks zu geben, um Kontakt aufzunehmen, um eine Lernleistung einzureichen.

Was ist daran attraktiv?

Aus dem Mix entstand eine attraktive neue Unterrichtsplanung: Lehrpersonen- Teams erarbeiteten gemeinsam Lernaufträge und entwarfen einen passenden Stundenplan. Eltern schätzten es, wenn diese Aufgaben durch eine Lehrperson koordiniert abgegeben wurden. Die Hektik der ersten Wochen flaute ab. Die technische Infrastruktur war mittlerweile installiert, die Verbindlichkeit ebenso.

Wer online arbeiten konnte, teilte den Unterricht in grössere Zeit- und Fachblöcke ein. Die neuen Stundenpläne begannen oft mit einem kurzen Präsenzmoment: einer Befindlichkeitsrunde, einer Präsentationsrunde, einer gezielten Aufgabe (Tageschallenge), etwas Sportlichem/Motorischem/einer Achtsamkeitsübung, der Gelegenheit, im Unterrichtsordner die aktuellen Arbeitsaufträge zu finden, gefolgt von einem fachlichen Input. Weil sich alle Schülerinnen und Schüler zur vorgegebenen Zeit einloggten, waren auch die Präsenzerfassung und das Thema Tagesrhythmus abgedeckt.

Die Zeit danach wurde entweder für Einzel- oder Gruppenarbeiten genutzt, on- oder offline, digital und analog. Der neue Fernlernstundenplan gab obligatorische Zeitfenster vor, liess aber Kindern und Familien auch Spielraum. Denn auch Kinder waren in den Alltag eingebunden: kochen helfen, Geschwister beim Lernen oder Spielen begleiten, Ämtli erledigen und danach Freizeit für alle.

Alexandra Binnenkade
Fachexpertin Pädagogisches Zentrum Basel-Stadt


Dieser Beitrag wurde während der Schulschliessungen auf dem Blog www.schulendigital.ch veröffentlicht und ist auch in der aktuellen Corona- Sondernummer des Basler Schulblatts (www.baslerschulblatt.ch) nachzulesen.

404 - Seite nicht gefunden

Leider ist die gewünschte Seite unter dieser Adresse nicht auffindbar. Bitte versuchen Sie, sie über unsere Suchfunktion zu finden.